Die passive Stimme ist ein faszinierendes und wichtiges Thema in der deutschen Grammatik, das oft viele Fragen aufwirft. Sie ermöglicht es uns, den Fokus eines Satzes zu verändern und auf das Objekt oder die Handlung selbst zu lenken, anstatt auf das Subjekt, das die Handlung ausführt. In diesem Artikel werden wir die Bildung und Verwendung der passiven Stimme im Deutschen umfassend erläutern.
Was ist die passive Stimme?
Die passive Stimme (Passiv) ist eine grammatikalische Konstruktion, bei der das Objekt eines Satzes zum Subjekt gemacht wird. Das bedeutet, dass der Fokus des Satzes auf die Handlung oder den Zustand gelegt wird, anstatt auf die Person oder das Ding, das die Handlung ausführt. Das Passiv wird oft verwendet, wenn das Subjekt unbekannt, unwichtig oder offensichtlich ist.
Beispiel für die aktive Stimme:
Der Lehrer erklärt die Grammatik.
In diesem Satz ist „der Lehrer“ das Subjekt, „die Grammatik“ das Objekt und „erklärt“ das Verb.
Beispiel für die passive Stimme:
Die Grammatik wird (vom Lehrer) erklärt.
Hier wird „die Grammatik“ zum Subjekt, „wird erklärt“ ist das passive Verb, und „vom Lehrer“ ist die optionale Angabe des Agens, also der Person, die die Handlung ausführt.
Die Bildung der passiven Stimme
Die Bildung der passiven Stimme im Deutschen erfordert das Hilfsverb „werden“ und das Partizip II (Partizip Perfekt) des Hauptverbs. Die Form von „werden“ hängt von der Zeitform ab, in der der Satz steht.
1. Präsens:
Das Passiv im Präsens wird mit der Präsensform von „werden“ und dem Partizip II gebildet.
Beispiel:
Die Tür wird geöffnet. (Die Tür ist das Subjekt, „wird“ ist die Präsensform von „werden“, und „geöffnet“ ist das Partizip II von „öffnen“.)
2. Präteritum:
Im Präteritum wird die Präteritumform von „werden“ verwendet.
Beispiel:
Die Tür wurde geöffnet.
3. Perfekt:
Für das Perfekt im Passiv wird die Präsensform von „sein“, das Partizip II von „werden“ (also „worden“) und das Partizip II des Hauptverbs verwendet.
Beispiel:
Die Tür ist geöffnet worden.
4. Plusquamperfekt:
Im Plusquamperfekt wird die Präteritumform von „sein“, das Partizip II von „werden“ und das Partizip II des Hauptverbs verwendet.
Beispiel:
Die Tür war geöffnet worden.
5. Futur I:
Das Futur I im Passiv wird mit der Futurform von „werden“, dem Infinitiv von „werden“ und dem Partizip II des Hauptverbs gebildet.
Beispiel:
Die Tür wird geöffnet werden.
6. Futur II:
Für das Futur II im Passiv wird die Futurform von „werden“, das Partizip II von „werden“ und das Partizip II des Hauptverbs verwendet.
Beispiel:
Die Tür wird geöffnet worden sein.
Verwendung der passiven Stimme
Die passive Stimme wird in verschiedenen Kontexten verwendet, abhängig von dem, was betont werden soll. Im Folgenden werden einige der häufigsten Verwendungszwecke beschrieben.
1. Unbekannter oder unwichtiger Täter:
Das Passiv wird oft verwendet, wenn der Täter der Handlung entweder unbekannt oder unwichtig ist.
Beispiel:
Das Fenster wurde eingeschlagen. (Es ist nicht wichtig oder bekannt, wer das Fenster eingeschlagen hat.)
2. Allgemeine Aussagen:
Das Passiv eignet sich gut für allgemeine Aussagen oder Regeln, bei denen der Täter nicht konkret benannt werden muss.
Beispiel:
In Deutschland wird viel Brot gegessen.
3. Fokus auf die Handlung:
Manchmal ist die Handlung selbst wichtiger als der Täter, und das Passiv hilft, diesen Fokus zu setzen.
Beispiel:
Das Problem wurde gelöst. (Der Fokus liegt auf der Lösung des Problems, nicht auf der Person, die es gelöst hat.)
4. Formaler Stil:
In wissenschaftlichen und formellen Texten wird das Passiv häufig verwendet, um den Text objektiver erscheinen zu lassen.
Beispiel:
Die Daten wurden analysiert und die Ergebnisse wurden präsentiert.
Unpersönliches Passiv
Ein besonderes Merkmal des Deutschen ist das unpersönliche Passiv, das verwendet wird, wenn kein spezifisches Subjekt vorhanden ist. Es wird mit „es“ als Platzhalter gebildet.
Beispiel:
Es wird getanzt. (Man tanzt.)
Es wird gesagt, dass… (Man sagt, dass…)
Passiv mit Modalverben
Das Passiv kann auch mit Modalverben wie „müssen“, „können“, „sollen“ usw. gebildet werden. In diesem Fall wird das Modalverb konjugiert, gefolgt von „werden“ im Infinitiv und dem Partizip II des Hauptverbs.
Beispiel:
Die Aufgabe muss gemacht werden. (müssen + gemacht + werden)
Das Problem kann gelöst werden. (können + gelöst + werden)
Von- und durch-Passiv
Im Deutschen gibt es zwei Arten von Passivkonstruktionen: das von-Passiv und das durch-Passiv. Beide haben spezifische Verwendungszwecke.
1. Von-Passiv:
Das von-Passiv wird verwendet, um den Täter oder das Agens der Handlung zu benennen. „Von“ wird dabei genutzt, um die handelnde Person oder Sache zu kennzeichnen.
Beispiel:
Das Buch wurde von der Autorin geschrieben.
2. Durch-Passiv:
Das durch-Passiv wird verwendet, um das Mittel oder das Werkzeug zu benennen, durch das die Handlung ausgeführt wurde.
Beispiel:
Der Brief wurde durch einen Boten geliefert.
Aktiv in Passiv umwandeln
Um einen Satz von der aktiven in die passive Stimme umzuwandeln, folgen Sie diesen Schritten:
1. Finden Sie das Objekt des aktiven Satzes.
2. Machen Sie das Objekt zum Subjekt des passiven Satzes.
3. Verwenden Sie das Hilfsverb „werden“ und das Partizip II des Hauptverbs.
4. Fügen Sie, falls nötig, den Täter mit „von“ hinzu.
Beispiel:
Aktiv: Der Hund beißt den Mann.
Passiv: Der Mann wird von dem Hund gebissen.
Häufige Fehler und wie man sie vermeidet
Bei der Verwendung der passiven Stimme können einige häufige Fehler auftreten. Hier sind einige Tipps, wie man diese vermeiden kann:
1. Falsche Zeitform von „werden“:
Stellen Sie sicher, dass Sie die richtige Zeitform von „werden“ verwenden, die zur Zeitform des Satzes passt.
Beispiel:
Falsch: Der Brief wird gestern geschrieben.
Richtig: Der Brief wurde gestern geschrieben.
2. Falsches Partizip II:
Das Partizip II muss korrekt gebildet und verwendet werden.
Beispiel:
Falsch: Die Arbeit wird gemacht worden.
Richtig: Die Arbeit wird gemacht.
3. Fehlender oder falscher Täter:
Wenn der Täter wichtig ist, verwenden Sie „von“ korrekt, um den Täter zu benennen.
Beispiel:
Falsch: Der Kuchen wird die Bäckerin gebacken.
Richtig: Der Kuchen wird von der Bäckerin gebacken.
Übungen zur passiven Stimme
Um das Verständnis und die Anwendung der passiven Stimme zu vertiefen, sind Übungen unerlässlich. Hier sind einige Übungsaufgaben:
1. Wandeln Sie die folgenden aktiven Sätze in passive Sätze um:
a) Der Mechaniker repariert das Auto.
b) Die Lehrerin erklärt den Schülern die Aufgabe.
c) Der Koch bereitet das Essen vor.
2. Bestimmen Sie die richtige Zeitform und bilden Sie passive Sätze:
a) Die Tür öffnen (Präteritum)
b) Das Problem lösen (Perfekt)
c) Die Arbeit erledigen (Futur I)
3. Ergänzen Sie die folgenden Sätze mit dem passenden Partizip II und „werden“:
a) Das Buch _____ (lesen) von vielen Menschen.
b) Der Brief _____ (schreiben) gestern.
c) Das Haus _____ (bauen) im nächsten Jahr.
Fazit
Das Verständnis und die korrekte Anwendung der passiven Stimme sind wichtige Aspekte der deutschen Grammatik. Sie ermöglichen es uns, den Fokus eines Satzes zu verändern und bestimmte Elemente zu betonen. Durch das Lernen der verschiedenen Zeitformen, die Verwendung mit Modalverben und das Erkennen von häufigen Fehlern können Sie Ihre Kenntnisse und Fähigkeiten im Deutschen erheblich verbessern. Üben Sie regelmäßig, um ein besseres Gefühl für die passive Stimme zu entwickeln und sie sicher und korrekt in Ihrem Sprachgebrauch zu integrieren.